Anthropozentrische Fehleinschätzungen

Otto Heinrich Schindewolf: "Peter Bamm" und die Evolution

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Schädel des Australopithecus boisei
Otto Heinrich Schindewolf
Geologe und Paläntologe

"Wir beschränken uns auf diese Zitate, die sich durch ihre Urteilslosigkeit und Überheblichkeit selbst richten und keines Kommentars bedürfen [...] Als [...] Muster intoleranter antinaturwissenschaftlicher Haltung aus jüngster Zeit nennen wir eine Reihe von Essays aus der Feder Bamms, die den Sammeltitel »Adam und der Affe« (1969) tragen. Der Fall ist um so erstaunlicher, als Peter Bamm (alias Curt Emmerich) von der Medizin, also letzten Endes von den Naturwissenschaften herkommt [...]
In schwer verständlicher »Naivität« werde selbst heute noch von manchen Forschern die Abstammung des Menschen vom Affen als Faktum verkündet. Herablassend versucht zwar Bamm im Verlaufe seiner Darlegungen, »diese fossilen Forscher einen Augenblick ernst zu nehmen«, aber das gelingt ihm nicht. Er verfällt sogleich wieder in seinen herabsetzenden Jargon und bezichtigt die Naturwissenschaftler »grotesker Vorstellungen«, »intellektueller Taschenspielerei«, »lächerlicher« und »anmaßender« Schlussfolgerungen, unhaltbarer »Illusionen« usw. »Selbst der fossilste Forscher wird nicht leugnen können, dass der Mensch, und zwar seinem Wesen nach, mehr ist als ein hochentwickelter Affe, dass er etwas ist, was über den Affen hinausgeht.« [...]
Nach Bamm ist es der Evolutionstheorie nicht gelungen, über die Herkunft des Menschen eine Hypothese aufzustellen, die auch nur der primitivsten ontologischen Kritik standhält. Und nun kommt das Überraschende: das Eingeständnis, dass auch die metaphysischen Vorstellungen rein hypothetischen Charakter haben, wenn sie auch dem wahren Sachverhalt näherkommen mögen als die Hypothese der Abstammung des Menschen vom Affen. Ihr Hauptvorzug aber bestehe darin: »Die transzendente Würde des Menschen sitzt nicht mehr für alle Zeiten hinter den Gitterstäben des Affenzwingers.« Damit ist die Katze aus dem Sack gelassen; die Eigenliebe und Überheblichkeit des (bzw. mancher) Menschen, seine eingebildete Würde und göttliche Ebenbildlichkeit, gepaart mit einer Geringschätzung der Tierwelt (soweit sie nicht als Sonntagsbraten nützlich ist), fühlen sich beleidigt durch die naturwissenschaftliche Deutung und jeglicher Vergleich mit dem Tier.

Dabei sind das Emotionen, die völlig aus dem Spiele bleiben müssen.

Bild: Australopithecus boisei aus der Olduvai-Schlucht in Tansanien, Afrika
Alter 1,8 Millionen Jahre
Senckenberg-Museum, Frankfurt/Main.

Hans Sachsse

Chemiker und Wissenschaftspolitiker

"[Wir sind in Laufe der Kulturgeschichte] zu einem extremen Anthropozentrismus gekommen, bei dem letztlich alles Begreifbare nur noch Stoff für eine von der Natur völlig abgelöste, freischwebende, menschliche Entscheidungsinstanz ist, die offensichtlich ihren Ort in der Welt verloren hat, weil die Beliebigkeit solcher Freiheit nirgendwo mehr wurzelt [...]
Und heute spüren wir immer unzweideutiger und immer bedrohlicher, dass es sich dabei nicht um ein Ereignis handelt, das nur das Denken und Fühlen des Menschen betrifft, sondern dass wir mit diesem Naturverständnis in eine Sackgasse geraten sind, dass unsere unmittelbare materielle Existenz von diesem Mißverständnis zur Natur bedroht ist."

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